Z Kardiol 94: Suppl 2 (2005)

Glucose-Insulintherapie: Weiterhin eine Option im akuten Infarkt?
K. Werdan1
1Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum Halle-Wittenberg, Halle/Saale, BusinessLogic.Land;

Die Gabe von Glukose-Insulin-Kalium (GIK) bei akutem Myokadinfarkt ist ein zweischneidiges Schwert:

Einerseits werden der Gabe von GIK günstige metabolische Effekte zugeschrieben: exogen appliziertes Insulin senkt den Plasmaspiegel der für das ischämische Myokard toxischen freien Fettsäuren und hemmt deren Aufnahme in das Herz; Hochdosis-Glukose verbessert die Energieproduktion des ischämischen Myokards; die Aufüllung des bei Myokardischämie reduzierten intrazellulären K+-Pools erhöht die Schwelle für Kammerarrhythmien, und GIK zeigt eine positv inotrope Wirkung.

Andererseits findet sich aber bei 3 - 71 % - im Mittel bei 50 % - der Herzinfarktpatienten eine prognostisch ungünstige Stress-Hyperglykämie (Hyperglykämie ohne vorbestehenden Diabetes, 6,7 - 11,2 mmol/l bzw. 120,6 - 201,6 mg/dl), welche mit der Infarkt-Letalität korreliert. Die nur teilweise verstandene Stress-Hyperglykämie bei akutem Herzinfarkt scheint kein Epiphänomen zu sein: als Mechanismen werden eine relative Insulinresistenz, ein erhöhter oxidativer Stress, sowie eine Steigerung von Thrombophilie, Inflammation, endothelialer Dysfunktion und Endothelzell-Apoptose diskutiert. Als Folgen können eine Zunahme der Infarktgröße infolge eines gesteigerten No-Reflow-Phänomens, eine Zunahme der linksventrikulären Dysfunktion mit einer erhöhten Inzidenz des Auftretens eines kardiogen Schocks, eine Verhinderung der ischämischen Präkonditionierung und eine Zunahme von Arrhythmien sowie von Koronarthrombosen resultieren.

Bei diesem Für und Wider einer GIK-Gabe ist die aktuelle Studienlage ausschlaggebend:

In der CREATE-ECLA-Studie [JAMA 293(2005)437-446] wurden 20.201 Infarktpatienten über 24 h zusätzlich zur Standardtherapie entweder mit Placebo oder einer GIK-Lösung (25% Glukose, 50 U/l Insulin, 80 meq/l K+, 1,5 ml/kg KG/h) behandelt. Signifikant häufigere Nebenwirkungen in der GIK-Gruppe waren Hyperkaliämie (4,3 vs. 1,6 %), signifikante Phlebitis (3,4 vs. 0,2 %) und eine symptomatische Hypoglykämie (0,4 vs. 0,1 %). Eine Verbesserung von Letalität und Morbidität (Herzstillstand, kardiogener Schock, Reinfarkt) nach 30 Tagen ließ sich allerdings durch die GIK-Gabe nicht erreichen.

Vielleicht ist eine - wesentliche? - Ursache des Mißerfolges der CREATE-ECLA-Studie in der Verstärkung der Stress-Hyperglykämie durch die GIK-Gabe zu suchen: bei nicht unterschiedlichen Glukosespiegel-Ausgangswerten (GIK: 162 mg/dl; Placebo: 162) lag in der GIK-Gruppe der Glukosespiegel 6 und 12 Stunden nach Infusionsbeginn wesentlich höher als in der Placebo-Gruppe (6 h: 187 vs 148; 12 h: 155 vs. 135). Da ein eindeutiger Zusammenhang von Blutzuckerspiegel-Höhe und Letalität bestand (niedrigste Tertile 6,6 %; mittlere Tertile 8,5 %; höchste Tertile 14,0 %), muß von einer ungünstigen Wirkung der GIK-Gabe infolge der induzierten Stress-Hyperglykämie ausgegangen werden, welche einen potentiell günstigen Effekt dieses Therapiekonzeptes zu neutralisieren scheint.

Laufende Studien (GIPS-2, DIGAMI 2, Multinational Organization to Assess Strategies for Ischemic Syndromes-6 Trial) überprüfen das GIK-Therapiekonzept in weiteren Patientengruppen mit Myokardischämien.

 

Nach aktueller Datenlage erscheint die Gabe von GIK bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt nicht erfolgversprechend. In Analogie zu Ergebnissen bei kritisch Kranken ohne Myokardinfarkt erscheint ein Blutzuckerwert von < 145-150 mg/dl (< 8,0 - 8,3 mmol/l) - erzielt durch Insulingabe - empfehlenswert. Blutzucker-Kontrollen sollten initial alle 30-60 min erfolgen, nach metabolischer Stabilisierung 4stdl. Entscheidend für die günstige Wirkung scheint dabei die Senkung des Blutzuckers und nicht die Insulingabe zu sein.

Ein mögliches Konzept der Zukunft könnte die GIK-Gabe mit strenger Blutzuckereinstellung auf Werte < 145-150 mg/dl (< 8,0 - 8,3 mmol/l) sein. Damit ließen sich die günstigen Wirkungen dieses Therapiekonzeptes nutzen und die ungünstigen Effekte der Stress-Hyperglykämie-Induktion des bisherigen Vorgehens vermeiden.   

http://www.abstractserver.de/dgk2005/ht/abstracts/H170.htm