Z Kardiol 94: Suppl 2 (2005)

Haben Klasse I-Antiarrhythmika noch eine Indikation?
J. Tebbenjohanns1
1Med. Klinik I, Klinikum Hildesheim, Hildesheim, BusinessLogic.Land;

Die antiarrhythmische Langzeittherapie nach Herzinfarkt mit Klasse I-Substanzen gilt seit Bekanntwerden der CAST-Studie im März 1991 als obsolet. Es fand sich eine Übersterblichkeit in den Verumgruppen sowohl für Encainid (10,2% vs. 4,5%) bzw. für Flecainid (5,9% vs. 2,2%) während eines Beobachtungszeitraumes von im Durchschnitt 10 Monaten. Trotz Senkung der spontanen Arrhythmierate (ventrikuläre Extrasystolie und Salven) kam es zu einer überproportionalen Häufung plötzlicher Todesfälle ursächlich durch Arrhythmien (5,7% vs. 2,2% in der Gesamtstudie). Aufgrund dieser Daten wurde abgeleitet, dass keine Indikation für die Gabe von Klasse Ic-Antiarrhythmika nach Herzinfarkt besteht. Ohne neuere prospektive Daten – die es bis heute nicht gibt – muss diese Kernaussage so bestehen bleiben. Dennoch können heute einige Punkte nicht außer Acht gelassen werden, die sich im Jahre 2005 etwas anders darstellen ließen, insbesondere unter dem Aspekt der symptomatischen Indikation. So ist die CAST-Studie zwischen 6/1987 und dem 18.04.1989 durchgeführt. Der Einschluss nach Infarkt betrug zwischen 6 Tage bis zu 2 Jahre und die EF lag entweder <40% bzw. <55% je nach Alter des Infarktes. In der Begleitmedikation wurde nur in 25% bis max. 30% der Patienten Betablocker verwendet, hingegen in 50% Calciumantagonisten. ACE-Inhibitoren oder Statine, beides heute obligate Medikamente nach Infarkt, wurden selbstverständlich damals nicht eingesetzt. Des weiteren wurde zum damaligen Zeitpunkt sicherlich noch nicht konsequent revaskularisiert im Sinne einer Akut-PTCA, wie es auch heute üblicher Standard ist. Es bleibt zudem erwähnenswert, dass eine arrhythmiebedingte Gesamtsterblichkeit von nur 2,2% in der Kontrollgruppe im Vergleich zu anderen Antiarrhythmika-Studien (z.B. EMIAT, CAMIAT, SWORD etc.)  nach Herzinfarkt einen sehr niedrigen Wert aufweist. In der 12/2002 publizierten AFFIRM-Studie wurden kumulativ >40% der Patienten in der rhythmuskontrollierten Gruppe mit Klasse I-Antiarrhythmika behandelt, etwa 30% wiesen eine KHK auf, 50 % eine arterielle Hypertonie bei einer durchschnittlichen Ejektionsfraktion von 55%. Es fand sich bei über 2000 Pat. und einer Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 3,5 Jahren keine Übersterblichkeit in dieser Subgruppe. Es muss festgehalten werden, dass eine prognostische Indikation für Klasse I-Substanzen in der antiarrhythmischen Langzeittherapie nach Herzinfarkt nicht gegeben ist. Gleichwohl müssen die Daten aus CAST vor dem Hintergrund seither völlig veränderter Therapiekonzepte des akuten Myokardinfarktes kritisch hinterfragt werden, so dass vielleicht im Einzelfall zumindest aus symptomatischen Erwägungen die Therapie mit einem Klasse I-Antiarrhythmikum dennoch gerechtfertigt sein kann. Dieses insbesondere bei Patienten mit bereits implantiertem ICD und häufigen Entladungen bzw. bei Pat. mit akut revaskularisiertem Infarkt ohne Einschränkung der LV-Funktion und hochsymptomatischen ventrikulären Extrasystolen trotz ß-Blocker-Therapie.


http://www.abstractserver.de/dgk2005/ht/abstracts/H275.htm