Z Kardiol 94: Suppl 2 (2005)

Diagnose einer familiären Hypodysfibrinogenämie (Fibrinogen Dresden I) bei einer 18-jährigen Patientin mit Fieber, rechtsatrialem Thrombus und Lungenembolie
G. Simonis1, M. Meyer2, S. Gehrisch3, A. Schmeißer4, G. Siegert3, R. H. Strasser4
1Med. Klinik und Poliklinik II/Kardiologie, Technische Universität Dresden, Herzzentrum Dresden Universitätsklinik, Dresden, BusinessLogic.Land; 2Fachbereich Medizintechnik, Fachhochschule Jena, Jena; 3Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Universitätsklinikum Dresden, Dresden; 4Med. Klinik und Poliklinik II/Kardiologie, Herzzentrum Dresden GmbH, Dresden;

Kasuistik: Eine 18-jährige Patientin stellte sich erstmalig vor mit seit 5 Tagen bestehender Dyspnoe, Abgeschlagenheit, Fieber bis 38,6°C und atemabhängigem Thoraxschmerz. Zuvor war die Patientin komplett beschwerdefrei. Seit etwa einem Monat wurde ein orales Kontrazeptivum eingenommen; darüber hinaus bestand keine Dauermedikation. Die Patientin war Nichtraucherin. Die Mutter und der Großvater der Patientin hatten im Rahmen von Operationen Thrombosen erlitten.
Bei Aufnahme sahen wir eine normosome Patientin in reduziertem Allgemeinzustand, orthodyspnoeisch, mit peripherer Zyanose. Der körperliche Untersuchungsbefund war bis auf eine Tachykardie (120/min) unauffällig.

Apparative Befunde: Im EKG zeigte sich eine Sinustachykardie sowie ein SIQIII-Typ. Das transthorakale und transösophageale Echokardiogramm bei Aufnahme stellte rechtsatrial im Bereich der Eustachischen Klappe einen gestielten Tumor, DD Thrombus, mit intermittierendem Prolaps in den RV dar. Die rechten Herzhöhlen waren dilatiert, der geschätzte systolische Pulmonalis­duck betrug 55 mmHg. Im Thorax-CT wurde eine bilaterale Lungenembolie nachgewiesen. Im Beinvenensonogramm und in CT und Sonographie des Abdomens ergaben sich keine Hinweise auf Thrombosen oder Tumorleiden.

Laborbefunde: Bei Aufnahme INR 2,51, PTT 39 s,Thrombinzeit 43,3 s (normal 16-20), Fibrinogen 0,2 g/l (normal 1,5-4,5), D-Dimer 0,6 µgFÄ/ml, O2 6,65 kPa, CO2 4,08 kPa, pH 7,53. Die Sequenzierung des Fibrinogens ergab eine neu beschriebene Punktmutation (γ348 Cys-Tyr) in der γD-Region des Fibrinogens (Fibrinogen Dresden I), die bei der Patientin heterozygot vorlag und die die Fibrinpolymerisation und möglicherweise die Fibrindegradation beeinträchtigte. Die selbe Mutation konnte bei der Mutter, der Schwester der Mutter und dem asymptomatischen Bruder nachgewiesen werden.

Schlussfolgerung: Hypodysfibrinogenämien sind insgesamt seltene Ursachen familiärer Thrombophilien. Der hier erstmals beschriebene Fibrinogendefekt führt klinisch nicht zu spontanen Thrombosen. Diese entstehen jedoch, wenn Kofaktoren, in diesem Fall die orale Kontrazeption, wirksam werden. Insgesamt unterstreicht diese Kasuistik die Notwendigkeit einer sorgfältigen Familienanamnese hinsichtlich stattgehabter Thrombosen vor Erstverschreibung einer oralen Kontrazeption oder anderer thrombosefördernder Medikamente.


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